Die Haltung der Gitarre
Eine Vorbemerkung
Ziel der Haltung einer Gitarre (egal welcher Art) muss es sein, das Halten der Gitarre an sich nicht als anstrengend und mühsam zu empfinden. In Anbetracht der Zeit, die ein Musiker (sei es Profi oder Hobbymusiker) am Instrument verbringt, um redliche Musik hervorzubringen, scheint dies beinahe ein Paradoxon. Ebendeshalb scheint es mir wichtig diesem Thema ein paar Gedanken und Überlegungen zu widmen.
Als klassischer und moderner Gitarrist stehe, beziehungsweise sitze ich zwischen den Stühlen:
Zum einen kommt aus der klassischen Schule die Erwartung, dass "ein klassischer Gitarrist nun mal mit Stuhl und Fußbank spielt" (und nicht wie ein Cowboy oder ein Zigeuner aus Andalusien!).
Zum anderen rümpfen die "Modernen" auch gern ihre Nase, wenn ich mich mit der E-Gitarre in eben genau diese Sitzhaltung begebe, und mir das "Brett" nicht um die Knie binde.
Durch einen Unfall brach ich mir das Steißbein und hatte genügend Grund mich sehr intensiv mit dem Thema Haltung zu beschäftigen. Ich konnte damals in keiner Haltung - egal in welcher - lange verweilen. Ich wechselte ständig, egal welches Instrument ich in der Hand hielt. So fand ich heraus, dass man sich in jeder "Haltung" richtig und falsch halten kann.
Die natürliche Körperhaltung als Voraussetzung zum Musizieren
Frei Atmen
Eine freie Atmung ist eine wesentliche Voraussetzung für freies Spiel. Nur wenn die frei Atmung fließt, kann auch die Musik frei im Ausdruck und in der Phrasierung sein. Der Volksmund nennt dies "aus dem Bauch heraus".
Frei atmen kann jedoch nur, wer in den Bauch atmen kann.

Eine krumme Körperhaltung führt nach Brügger "zu einer Annäherung von Brustkorb und Becken ( Abb.1). Folge ist, dass der Bauchraum und der Brustkorb eingeengt werden!" (Brügger,1990). Frei atmen kann demnach nur, wer sich aufrecht hält.
Konzentration und Schmerzfreiheit
Eine weiterer Faktor für ein musikalisch freies Spiel ist die Abwesenheit von Schmerz und Bewegungseinengung.
"Da diese Muskulatur (des Bewegungsapparates, Anm. d. Verf.) in einem System arbeitet, dass sich über den gesamten Körper erstreckt, kann es in allen Bereichen des Bewegungsapparates zu Bewegungsstörungen und zu Schmerzen kommen" (Brügger 1990).
Also auch in den Bereichen des Bewegungsapparates, den wir zum Spiel auf dem Instrument benötigen!
Konzentration auf das Musikstück wird jedoch nur gelingen, wenn man frei von Schmerzen und Bewegungseinschränkungen ist, d. h. sich in einer natürlichen Körperhaltung befindet.
Die natürliche Körperhaltung

Die Herstellung einer gesunden Lordose ist laut Brügger an drei Bedingungen geknüpft:
- Das Becken muss nach vorn rollen und ausreichend "nach vorn kippen".
- Der Brustkorb muss nach vorn geschoben und das Brustbein angehoben werden.
- Die Halswirbelsäule wird dabei gestreckt.
Die klassische Haltung der Konzertgitarre

Der Fußstuhl befindet sich direkt vor dem Spieler, das rechte Bein wird leicht nach außen gestellt. Die Gitarre auf den linken Oberschenkel gelegt, berührt den Körper nun noch am Sternum und an der Innenseite des rechten Oberschenkels.

Alternativen zur klassischen Haltung
1. Die Louis Ignatius Gall Haltung
Auf einem sehr niedrigen Stuhl oder Hocker, so dass das Fußbänkchen durch die relativ hohe Lage des linken Oberschenkels überflüssig wird.
Vorteil dieser Haltung ist zweifelsohne, dass durch den Verbleib beider Beine auf dem Boden ein physiotherapeutisch gesehen perfektes Sitzen ermöglicht wird.
2. Stützen, Kissen
Ermöglicht das Sitzen auf normal hohen Stühlen, wobei die Gitarre durch eine Stütze oder ein Kissen auf dem linken Oberschenkel in eine optimale Spielhöhe gebracht wird.

3. Mit übereinander geschlagenen Oberschenkeln
Einige Gitarristen schlagen stattdessen das rechte Bein über das linke. Nachteil: Eine gerade Haltung der Wirbelsäule ist so nicht möglich, da das Becken zum Heben des Beines nach hinten kippen muß.
Alternativen zur Haltung der Konzertgitarre in der modernen Musik
1. Auf dem rechten Oberschenkel

2. Mit Fußbank unter dem rechten Bein
Besser ist es hier die Halsposition mit einem Fußbänkchen unter dem rechten Oberschenkel nach oben zu korrigieren.

Einige Flamenco Gitarristen stellen den Korpus der Gitarre kurzer Hand auf den rechten Oberschenkel.

Auch den halben Lotussitz sieht man häufig bei Flamencospielern.
Haltung der Modern Guitar
1. Die Westerngitarre

" According to C. F. Martin III, the 14-fret neck was developed in late 1929. Prior to the period, guitars were generally equipped with a 12-fret neck. As the story goes, a renowned plectrum banjoist of the day, Perry Bechtel, suggested to Frank Henry Martin that he make a guitar with a 14-fret neck. Bechtel reasoned that the longer neck would increase the guitar's range and make it a more versatile instrument. Following Bechtel's advice, Martin introduced a guitar with the longer neck and dubbed it an "Orchestra Model."
The 14-fret neck was so well received that Martin eventually extended the feature to all models in its line. In short order, it became the standard design for the American guitar industry.
The Dreadnought guitar, named after a large class of World War I British battleships, has become something of a trademark of the Martin Company. The original Martin Dreadnought models were designed by Frank Martin and Harry Hunt, manager of Chas. H. Ditson Co., a leading music retailer with stores in New York, Boston and Philadelphia. A shrewd judge of the market, Hunt reasoned that a Dreadnought guitar, with its large body and booming bass, would be ideal for accompanying vocals. The first Dreadnoughts, introduced in 1916, were sold under the brand name of "Oliver Ditson & Co., Boston, New York." At first the instruments were not very well received simply because there were not many singers using guitars, and solo players felt that the bass on the Dreadnought was overbearing. However, as folk singing became increasingly popular, sales of the Dreadnought picked up. The Ditson Company went out of business in the late 1920s, and in 1931 Martin incorporated the Dreadnought into its line of guitars. Today, the model is a dominant factor in the Martin line, and virtually every maker of acoustic guitars, both domestic and foreign, has introduced a version of this original Martin design."
Im Gegensatz zu den heutigen Westerngitarren befindet sich hier der 12. Bund noch am Korpusansatz. Es wird jedoch deutlich, dass vor allem der vergrößerte Korpus problematisch für die Haltung des Instrumentes ist.
Mit übereinandergeschlagenen Beinen

Mit Fußstuhl
Die einzig sinnvolle alternative scheint hier zu sein, das rechte Bein mit Hilfe einer Fußbank nur ein wenig hochzusetzen und den Oberkörper bei geradem Rücken ein wenig nach vorne zu schieben.
Die Haltung der Westerngitarre stehend
Ein wohl noch größeres Problem und sicher nichts für die Dauer. Gerade etwas beleibtere Menschen werden bei der Aufrichtung des Rückens erleben, wie der Gitarrenhals in unerreichbare Fernen entrückt. Das Problem verschärft sich bei Ovation und Aplouse Modellen wegen ihrer lautenartigen Korpusse. Dieser Umstand trug sicherlich zur Entwicklung von Halbresonanzgitarren wie der Yamaha APX Serie bei, die jedoch unverstärkt einen unbefriedigenden Klang ergeben. Die einzige Möglichkeit, Westerngitarren zu spielen und die Greifhand nicht all zu sehr zu belasten, besteht in einer leichten Vorbeugung des Oberkörpers.
Die Haltung der E-Gitarre
Versuch einer Typologisierung
Es lassen sich grundsätzlich zwei Typen unterscheiden:
1. Flat-tops: Die "Bratpfanne" oder auch "Brettgitarre", deren Korpus einzig und allein aus einem massiven Stück Holz (deshalb auch "Solid Body" genannt) unterschiedlichster Form besteht (Fender's "Tele" – oder "Stratocaster", "Flying V's" oder die gesamte Palette der Paulas (Original "Les Paul" by Gibson).

2. Semi-Acoustic

Hier ist zu sehen, dass das "Chet Atkins" – Modell schon fast einer Westerngitarre nahe kommt (wie viele "Ibanez" oder "Guild") und die "Classic Semi-Acoustic" in der Form stark in Richtung Flat-top (s.o.) tendiert.

Flat-top & Semi-acoustic stehend
Lässt sich eigentlich ähnlich wie die Westerngitarre halten, ist jedoch durch den schmalen Korpus dem Spieler viel näher und wird daher gerne "unter den Arm geklemmt".